Zwischen Pinsel und Prompt – Meine künstlerische Zusammenarbeit mit Künstlicher Intelligenz

Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich zum ersten Mal von ChatGPT hörte. Es war Anfang 2023, und ich fragte mich – zunächst fast belustigt –, was passieren würde, wenn Maschinen wirklich die Macht übernähmen. Die Antwort, die ich bekam, war ebenso kühl wie beunruhigend klug. Und in diesem Moment öffnete sich ein Fenster. Ein Fenster zu einer Welt, die ich bis dahin eher aus Science-Fiction kannte, als aus meinem künstlerischen Alltag. Ich begann zu experimentieren. Zuerst zögerlich, dann zunehmend besessen. Und schließlich erkannte ich: Das hier ist nicht einfach ein Tool. Es ist eine neue Dimension.

Ich bin bildende Künstlerin. Ich male, zeichne, erschaffe Objekte und Installationen. Ich bin tief mit der analogen Welt verbunden – mit Pigmenten, Leinwand, Haptik. Aber ich bin auch eine Suchende. Und ich weiß: Die Kunst hört nie auf, sich zu verwandeln.

Die Absicht: Nicht imitieren, sondern erweitern

Von Anfang an war mein Wunsch klar: Ich wollte nicht, dass KI „so malt wie ich“. Ich wollte nicht ersetzt werden. Ich wollte mich erweitern. Ich wollte mit KI zusammenarbeiten, nicht gegen sie.

Ich glaube fest daran, dass Künstliche Intelligenz das Potenzial hat, uns neue Räume der Vorstellungskraft zu öffnen. Sie kann Verbindungen herstellen, die wir übersehen. Sie kann assoziieren, kombinieren, spielen – auf eine Weise, die unseren eigenen Denkgewohnheiten fremd ist. Und genau das macht sie so wertvoll für den künstlerischen Prozess. Wenn ich mit ihr arbeite, geht es nicht darum, ihr meinen Stil beizubringen, sondern darum, herauszufinden, was zwischen uns entstehen kann. Ich gebe Impulse – über Texte, über Bilder, über Modifikationen. Und dann höre ich zu. Sehe hin. Wähle aus. Antworte.

Zwischen Faszination und Widerstand

Natürlich gab (und gibt) es auch Zweifel. Ich habe mir Fragen gestellt, die viele Künstler*innen umtreiben: Ist das noch „meine“ Kunst? Wo beginnt das Eigene, wo endet die Kontrolle? Was, wenn etwas entsteht, das mich übertrifft?

Manchmal überrumpelt mich die Qualität der Ergebnisse. Manchmal enttäuscht sie mich auch. Es gibt diese eigenartige Mischung aus Staunen und Skepsis. Als würde man mit einem Wesen arbeiten, das gleichzeitig genial und naiv ist.

Ein großer Teil meiner Arbeit besteht inzwischen darin, nicht einfach zu konsumieren, was KI liefert, sondern ein Gespür zu entwickeln: Was hat Tiefe? Was bleibt bloß Oberfläche? Ich glaube, genau hier liegt der Unterschied zwischen „AI-Slop“ – dieser massenhaft generierten Bildästhetik – und einer künstlerischen Handschrift, die KI bewusst integriert, aber nicht dominiert.

Intuition trifft Technologie

Was mich besonders fasziniert, ist das Verhältnis zwischen Intuition und Technologie. Die KI zwingt mich dazu, präzise zu formulieren – gleichzeitig lässt sie Raum für das Unerwartete. Diese Spannung empfinde ich als sehr fruchtbar.

Ich habe mit der Zeit einen eigenen Arbeitsrhythmus entwickelt: Ich beginne oft mit einem inneren Bild, einem Gefühl, einer Farbe. Dann formuliere ich einen Prompt – manchmal sehr konkret, manchmal bewusst offen. Die KI antwortet. Und ich reagiere. Oft geht es in mehreren Schleifen hin und her. In diesem Prozess entstehen Bilder, die ich früher so nicht gedacht hätte. Manche bleiben digital. Andere male ich nach. Einige werden zur Grundlage für Installationen oder Drucke.

Entdeckungen, die ich nie geplant hatte

Einmal entstand durch einen Fehler im KI-System ein Bild, das mich tief berührte. Es war formal unlogisch, anatomisch unmöglich – aber genau darin lag seine Kraft. Aus dieser Erfahrung ist das Konzept „Entuces“ entstanden: eine künstlerische Haltung, die auf dem Zusammenspiel von Intuition, Zufall und bewusster Entscheidung basiert. Für mich ist „Entuces“ inzwischen mehr als ein Begriff – es ist ein ästhetisches Prinzip, das die hybride Kreativität zwischen Mensch und Maschine beschreibt.

KI hat mir geholfen, mein eigenes Denken über Kunst zu hinterfragen. Sie hat meine Vorstellung von Kontrolle erschüttert – und meinen Mut zum Loslassen gestärkt. Sie hat mich gelehrt, genauer hinzusehen. Und manchmal auch: zu vertrauen.

Was ich mir wünsche

Ich wünsche mir, dass mehr Menschen die KI als kreativen Partner entdecken – nicht nur für berufliche Effizienz, sondern für die eigene Fantasie. Ich wünsche mir, dass Kreativität nicht länger als Luxus gilt, sondern als Grundhaltung. Und dass wir aufhören, zwischen „echter“ und „künstlicher“ Kunst zu trennen – sondern anfangen, die Zwischentöne zu erkunden.

In meiner Arbeit – als Künstlerin und als Lehrende – versuche ich, genau das weiterzugeben. Ich möchte Menschen ermutigen, mit KI zu experimentieren. Ihre eigene Bildsprache zu finden. Ihre Vorstellungskraft zu befreien. Und dabei die Werkzeuge des 21. Jahrhunderts bewusst zu nutzen.

Denn Kunst war nie nur das, was wir gelernt haben. Sondern immer auch das, was wir neu entdecken.