Zwischen Himmel und Wurzelwerk

Reflexionen einer Künstlerin über Malerei, KI und die Zukunft der Kunst

Ein persönlicher Bericht über künstlerische Evolution, technologische Partnerschaft und die Neudefinition kreativer Prozesse

Die Wurzeln einer Vision

Drei Themen haben mich seit jeher begleitet und tief beeinflusst: Pflanzen, Schwerelosigkeit und die Frage, wie außerirdisches Leben aussehen könnte. Sie erscheinen zunächst wie Fragmente aus unterschiedlichen Welten – das Irdische, das Kosmische, das Unbekannte. Doch in meinen Arbeiten beginnen sie, miteinander zu kommunizieren, sich zu verweben. Das Ergebnis: eine Bildsprache, die das Himmlische und das Pflanzliche miteinander vereint. Eine künstlerische Vision, die Natur, Fantasie und Technologie zu einer neuen Einheit führt.

Diese Vision manifestiert sich derzeit in meiner Ausstellung in der Burg Friedland in Brandenburg – noch bis Ende August 2025. Die Ausstellung zeigt nicht nur meine traditionell mit Acrylfarbe gemalte Werke, sondern auch neue Arbeiten, die ich als „AI-assisted Artworks“ bezeichne: Werke, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz entstanden sind – und zwar nicht als Spielerei oder Zeitgeist-Phänomen, sondern als ernstzunehmender, durchdachter Bestandteil meines künstlerischen Prozesses.

Ein Abend der Resonanz und Reibung

Die Ausstellungseröffnung war ein besonderer Abend – einer jener Momente, in denen sich die Komplexität unserer Zeit in Gesichtern, Gesten und Gesprächen widerspiegelt. Die Rückmeldungen waren offen, ehrlich und oft überraschend tief. Menschen waren inspiriert – manche irritiert. Und beides ist mir willkommen. Denn wenn Kunst nichts bewegt, hat sie ihren Zweck verfehlt.

Eine Beobachtung, die sich an diesem Abend verdichtete, beschäftigt mich seitdem intensiv: Viele Besucher*innen konnten kaum unterscheiden, welche Arbeiten „klassisch“ mit Pinsel und Leinwand entstanden sind – und welche durch KI-Assistenz realisiert und als Fine-Art-Prints präsentiert wurden. Einige waren darüber erstaunt, andere skeptisch, wieder andere verunsichert. Doch niemand blieb gleichgültig.

Diese Reaktionen offenbaren etwas Fundamentales über den aktuellen Zustand der Kunst: Die Grenzen zwischen traditionellen und technologiegestützten Schaffensprozessen verschwimmen nicht nur visuell, sondern auch konzeptuell. Was bedeutet das für die Authentizität künstlerischer Arbeit? Für die Rolle der Künstlerin als Schöpferin? Für den Wert und die Einzigartigkeit des Kunstwerks?

Die Mythologie der Maschine

Viele Menschen verbinden mit Künstlicher Intelligenz vor allem Mythen, Ängste oder einen nebulösen Technikbegriff. Hier liegt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit: die Kluft zwischen technologischer Realität und öffentlicher Wahrnehmung. In der Kunstwelt potenziert sich diese Problematik. Plötzlich stehen fundamentale Fragen im Raum: Kann eine Maschine kreativ sein? Ersetzt die KI die Künstlerin? Ist ein KI-generiertes Bild überhaupt Kunst?

Deshalb sehe ich es als Teil meines künstlerischen Auftrags, hier Brücken zu bauen – zwischen Disziplinen, zwischen Analogem und Digitalem, zwischen Mensch und Maschine. Nicht als Technologie-Evangelistin, sondern als Praktikerin, die aus der Erfahrung heraus spricht.

Die Wahrheit ist komplexer und faszinierender als die Extrempositionen vermuten lassen. KI ist weder die Bedrohung noch die Erlösung der Kunst. Sie ist ein Werkzeug – allerdings eines von beispielloser Komplexität und Potential.

Von der Malerin zur hybriden Künstlerin

Mein Weg zur hybriden Künstlerin war kein plötzlicher Paradigmenwechsel, sondern eine organische Evolution. Ich komme aus der klassischen Malerei – jahrzehntelange Erfahrung, unzählige Stunden im Atelier, internationale Ausstellungen, Lehraufträge, eine intensive Zeit als Mentorin. All das prägt mein Verständnis von Kunst. Technik, Material, Farbauftrag, Intuition – das sind die Werkzeuge, mit denen ich groß geworden bin.

Doch Kunst ist nicht starr. Sie lebt, wenn sie sich bewegt. Wenn sie aufbricht, Fragen stellt, neue Räume erkundet. Genau deshalb war es für mich kein Bruch, sondern eine organische Erweiterung, KI in meinen kreativen Prozess zu integrieren.

Der Prozess ist nicht ein Algorithmus

AI-assisted Artworks entstehen bei mir nicht durch das bloße Drücken eines Knopfes. Es ist ein kuratierter, bewusst gesteuerter Prozess, der meine ästhetische Erfahrung, meine Vision und mein Urteilsvermögen als Künstlerin voraussetzt. Die KI wird zur Partnerin, doch ich treffe die Entscheidungen.

Der Arbeitsprozess gleicht einem komplexen Dialog: Ich formuliere eine visuelle Anfrage, die KI antwortet mit Variationen, ich selektiere, verfeinere, verwerfe, entwickle weiter. Manchmal entstehen dabei Bilder, die ich niemals hätte malen können – nicht aus mangelnder Technik, sondern aus der Begrenztheit meiner eigenen visuellen Vorstellungskraft. Die KI öffnet den Raum voll unentdeckter Möglichkeiten.

Dabei bleibt die kuratorische Entscheidung, die ästhetische Bewertung, die konzeptuelle Rahmung vollständig bei mir. Die KI generiert – ich komponiere, selektiere, kontextualisiere. Sie ist Werkzeug, aber auch eine Gesprächspartnerin zugleich.

Zwischen Authentizität und Innovation

Die Debatte um Authentizität in der Kunst ist so alt wie die Kunst selbst. Jede neue Technologie – von der Ölmalerei über die Fotografie bis zur Videokunst – wurde zunächst als Bedrohung der „wahren“ Kunst wahrgenommen. Heute scheint uns die Diskussion darüber, ob Fotografie Kunst sein kann, absurd. Vermutlich wird es uns in zwanzig Jahren ähnlich mit der KI-Kunst ergehen.

Was macht ein Kunstwerk authentisch? Die Handschrift der Künstlerin? Die Einzigartigkeit des Schaffensprozesses? Die emotionale Resonanz beim Betrachter? Oder vielleicht die Fähigkeit, neue Perspektiven zu eröffnen, Fragen zu stellen, Bewusstsein zu schaffen?

Meine AI-assisted Artworks sind in diesem Sinne zutiefst authentisch – sie entstehen aus meiner künstlerischen Vision, reflektieren meine ästhetischen Entscheidungen und tragen meine Signatur. Die Tatsache, dass Algorithmen am Entstehungsprozess beteiligt waren, macht die Bilder, die ich schließlich präsentiere, nicht weniger zu meinen Werken, als die Verwendung von Industriefarben Rothkos Bilder zu Industrieprodukten machte.

Die Ökonomie der neuen Kunst

Für Sammler und Mäzene stellt sich natürlich die Frage nach dem Wert KI-assistierter Kunstwerke. Hier bewegen wir uns in einem noch jungen Markt, dessen Mechanismen sich erst entwickeln. Doch bereits jetzt zeichnen sich Tendenzen ab: Werke renommierter Künstler*innen, die KI als bewusstes Werkzeug einsetzen, erzielen durchaus respektable Preise. Entscheidend ist dabei nicht die Technologie, sondern die künstlerische Qualität und die Reputation der Schöpferin.

Für meine eigenen Arbeiten gilt: Jedes AI-assisted Artwork, die ich auswähle und als Fine-Art-Print anbiete ist ein Unikat, ja sogar ein individuelles Stück für den jenigen, der das Bild in der Druckerei bestellt. Noch wertvoller sind natürlich die handsignierten Drucke, bei denen ich als Künstlerin die Entscheidung über die Größe und Qualität der Bildträger bereits getroffen habe. Diese physikalisch existierenden Objekte sind also künstlerische Artefakte mit eigener Geschichte und Beschaffenheit. Diese sind bereits präsent. Zwar könnte theoretisch bei jeden dieser Motive ein ähnliches Bild noch einmal generiert werden, doch die spezifische Kombination aus Prompt, Parametern, Trainingsdaten, Auswahl und Nachbearbeitung ist einzigartig. Hinzu kommt die Dokumentation des Entstehungsprozesses – eine Art „Partitur“ des Werks, die dessen Authentizität und Provenienz belegt.

Pädagogische Dimensionen

Als Lehrende sehe ich in der KI-Kunst auch immense pädagogische Potentiale. Für meine Schüler*innen eröffnet sich die Möglichkeit, ihre Vorstellungskraft zu erweitern, ohne zunächst jahrzehntelang handwerkliche Techniken erlernen zu müssen. Die KI wird zum Übersetzer zwischen Idee und Bild.

Gleichzeitig schärft die Arbeit mit KI das Bewusstsein für die Bedeutung kurativer Entscheidungen. Wer je versucht hat, eine KI dazu zu bringen, genau das zu generieren, was man sich vorgestellt hat, weiß um die Komplexität kreativer Kommunikation. Die scheinbar einfache Aufgabe, eine Vision in Worte zu fassen, die eine Maschine verstehen kann, schult das analytische Denken und die Präzision künstlerischer Konzepte.

Gesellschaftliche Verantwortung

Mit der Integration von KI in die Kunst kommen auch gesellschaftliche Verantwortungen. Die Technologie ist nicht neutral – sie trägt die Vorurteile und Beschränkungen ihrer Programmierung und Trainingsdaten in sich. Als Künstlerin, die diese Werkzeuge nutzt, muss ich mir dieser Grenzen bewusst sein und aktiv daran arbeiten, sie zu überwinden.

Zudem stellt sich die Frage der Transparenz. Verschleiere ich die Nutzung von KI, oder mache ich sie zum Teil des künstlerischen Statements? Ich habe mich für Letzteres entschieden. Die Bezeichnung „AI-assisted Artworks“ ist nicht nur ehrlich, sondern auch programmatisch – sie signalisiert eine neue Kategorie künstlerischer Praxis.

Technische Partnerschaften

Die Zusammenarbeit mit KI-Systemen erfordert ein neues Verständnis von künstlerischer Partnerschaft. Anders als traditionelle Werkzeuge ist KI nicht passiv. Sie reagiert, überrascht, schlägt vor, entwickelt eigene „Vorlieben“. Diese Dynamik zu verstehen und produktiv zu nutzen, ist Teil der neuen künstlerischen Kompetenz.

Dabei zeigt sich auch, dass verschiedene KI-Systeme unterschiedliche „Persönlichkeiten“ haben. Manche tendieren zu bestimmten Farbpaletten, andere zu spezifischen Kompositionen. Diese Eigenarten zu erkennen und einzusetzen, wird zu einer neuen Form der Werkzeugbeherrschung.

Die Zukunft ist hybrid

In einer Zeit, in der sich Technologie und Kultur mit rasanter Geschwindigkeit verändern, wird der künstlerische Diskurs immer wichtiger. Ich bin überzeugt: Die Zukunft der Kunst liegt nicht in der Trennung, sondern in der Verbindung. Zwischen Tradition und Innovation. Zwischen Handwerk und Algorithmus. Zwischen Emotionalität und Intelligenz.

Die nächste Generation von Künstler*innen wird vermutlich ganz selbstverständlich mit KI-Werkzeugen aufwachsen. Für sie wird die Unterscheidung zwischen „klassischer“ und „KI-assistierter“ Kunst möglicherweise obsolet werden. Was bleibt, ist die Frage nach der künstlerischen Qualität, der konzeptuellen Tiefe, der emotionalen Resonanz.

Praktische Erfahrungen

Meine AI-assisted Artworks entstehen in einem mehrstufigen Prozess. Auch dieser Prozess ist nicht linear. Die Gestaltungsvorlagen geben meine Originale, die ich mit Hand gemalt bzw. gezeichnet habe. Aber auch bereits zuvor generierte Bilder setze ich als Referenzen an. Ich lasse auch meine Bilder von der KIs analysieren und nutze diese Texte als Prompts. Oft entwickle ich parallel eine textuelle Beschreibung meiner Vision – mehrere Seiten lang, mit verschiedenen Informationen und Angaben zu Farben, Stimmungen, Kompositionen.

Diese Bilder-Beschreibungen, Bilder-Vorlagen und eigene Trainingsdaten dienen als Input für die verschiedene KI-Bild-Generatoren, die ich aber auch gern gegeneinander auftreten lasse. Die ersten Generationen sind meist nur Annäherungen – interessant, aber noch nicht das, was ich sehe. Dann beginnt die eigentliche Arbeit: Verfeinern, Variieren, Kombinieren. Manchmal entstehen dabei Bilder, die meine ursprüngliche Vision übertreffen oder in unerwartete Richtungen erweitern.

Oft füllt sich das gesamte Prozess genauso an wie der Rasch als man noch im Atelier rauchte und Rotwein trank.

Der entscheidende Moment ist die Selektion. Aus mehreren von Variationen wähle ich wenige aus – basierend auf meiner Erfahrung, meinem ästhetischen Urteil, meiner Vision. Diese Auswahl ist genauso künstlerisch wie der Pinselstrich eines Malers.

Make the real art with AI

Meine aktuellen Arbeiten sind ein Ausdruck dieses Denkens. Sie sind Einladung und Experiment zugleich – offen für Dialog, Resonanz und auch Widerspruch. Denn genau dort, wo Reibung entsteht, beginnt etwas Neues.

Die Ausstellung in der Burg Friedland ist mehr als eine Präsentation meiner Werke. Sie ist ein Laboratorium für die Zukunft der Kunst, ein Diskussionsraum für die Fragen unserer Zeit. Ich freue mich über alle, die den Weg nach Friedland finden. Und über jeden Gedanken, jede Frage, jedes Gespräch, das daraus erwächst.

In einer Welt, die sich rasant verändert, bleibt die Kunst eine Konstante – nicht weil sie unveränderlich wäre, sondern weil sie sich permanent neu erfindet. KI ist dabei nicht Ende oder Anfang, sondern ein weiterer Schritt in der endlosen Evolution menschlicher Kreativität.

Real Art for Great People and Spaces – auch im Zeitalter der künstlichen Intelligenz bleibt das mein Leitsatz. Nur dass die Räume nun größer geworden sind. Und die Möglichkeiten himmlischer denn je.

Eine Einladung zur Gemeinschaft

Meine Begeisterung für die Möglichkeiten, die KI traditionellen Künstlern bietet, möchte ich gerne mit anderen teilen. Die Erfahrung zeigt mir: Der Weg in die hybride Kunstpraxis muss nicht einsam sein. Deshalb lade ich alle Interessierten, die selbst KI in ihre Praxis integrieren wollen, herzlich in meine Community ein.

ORBA ART SPACE ist eine Online-Plattform, die Kreative Schritt für Schritt dabei begleitet, KI-gestützte Werkzeuge in ihre analogen und digitalen Arbeitsprozesse zu integrieren. Ziel ist es, das kreative Selbstvertrauen zu stärken und die Sichtbarkeit nachhaltig zu erweitern. Hier teilen wir Erfahrungen, diskutieren Herausforderungen und feiern gemeinsam die Durchbrüche, die entstehen, wenn Tradition und Innovation sich verbinden.

Denn letztendlich ist die Kunst eine Sprache, die wir gemeinsam sprechen – und die wir gemeinsam weiterentwickeln können.

https://artspace.orba-art.com/app/community/oase

 

Die Ausstellung „Zwischen Himmel und Wurzelwerk“ ist noch bis Ende August 2025 in der Burg Friedland, Brandenburg, zu sehen. Führungen und Künstlergespräche nach Vereinbarung.